---

Wie beginnt man eine Beschreibung eines Pferdes, das sich jeder Beschreibung entzieht? Simbas Ankunft auf dem Sternhof wurde fieberhaft erwartet, schließlich hatten wir alle so viel von diesem Hengst gehört und doch hatten die meisten ihn noch nie zu Gesicht bekommen. Als seine Eltern vor vier Jahren ihren Weg zu uns antraten, wusste noch niemand, dass sie - vor allem seine Mutter - wie eine Bombe im vesländischen Festland einschlagen würden. Am allerwenigsten wusste damals dieser Junghengst etwas davon. Der Rappe wurde als schlaksiger Jährling unter dem Namen "Edelmut von Cavenaugh" zusammen mit dem Trakehnergestüt verkauft und trat kurze Zeit später seine Reise in die USA an. Den Nachnamen verlor er unterwegs und während der Jüngling auf der anderen Seite des großen Teichs zu einem stattlichen Hengst heranreifte, wurde seine Mutter zu unser aller Lieblingspferd.

Aus dem Sternhof wurde allmählich ein Edelweißhof. Arnos Begeisterung für die Trakehnerstute übertrug sich auf ihre Nachkommen und nach und nach zogen immer mehr der einst von Frieda Hertz verkauften Nachkommen der Grande Dame unserer Trakehnerzucht in ihr neues Zuhause. Schließlich machte Erin Cavenaugh den einzig verbliebenen Hengstnachkommen aus der Kronzeuge-Edelweiß-Verpaarung bei Whitewood Incorporated in den USA ausfindig. Weder Kiana noch Erin sparten mit Lob für diesen jungen Hengst, während alle fieberhaft auf seine Ankunft warteten.
Man hätte meinen können, die Queen höchstpersönlich stattete dem Sternhof einen Besuch ab, so groß war die Aufregung, als der Transporter schließlich auf den Hof rollte. Das ganze Personal hatte sich versammelt, um einen Blick auf diesen Erben zu werfen. Und noch bevor die Tür geöffnet wurde, erklang ein lautstarkes Wiehern aus dem Inneren, das von mehreren Pferden im Pferdedorf beantwortet wurde. "Ich bin jetzt da!", schien er gerufen zu haben. Und da war er.
Worte können nicht beschreiben, was da mit uns geschah, als Erin den dick verpackten Rappen aus dem Transporter führte. Trotz Decke und Transportgamaschen fand er die Leichtigkeit, aufgeregt über die Rampe zu tänzeln. Viel war nicht zu sehen von diesem Superstar - und doch war es genug, um uns die Sprache zu verschlagen. Edelmut BF, nun waschechter Brenndorfer, hatte eine Ausstrahlung, die ihresgleichen suchte.

In den nächsten Tagen verbrachten auffällig viele Mitarbeiter ihre Pausen in der Nähe von Edelmuts Paddock. Der Mythos, der sich um ihn gebildet hatte, gemeinsam mit seiner überdurchschnittlichen Präsenz, hielt uns gefangen. Dabei hatten wir ihn uns wohl alle ganz anders vorgestellt. Weniger. Weniger groß, weniger massig, weniger schwarz. Sogar weniger mutig, dabei hätten wir nur auf seinen Namen schauen müssen. Aber mit zwei Nervenbündeln wie Zwergl und Edi als Eltern hätten wir uns keinen Löwen erwartet. Und ein Löwe ist er, unser kleiner Simba. Von Anfang an musste alles genau beobachtet und dann auch untersucht werden und kein Pferd konnte an ihm vorbeigehen ohne dass er nicht auf sich aufmerksam machte.
Auch im Training mit Erin und Kiana erwies er sich als furchtlos, was nicht heißt, dass ihn die neue Umgebung nicht immer wieder innehalten ließ. Doch nach sorgfältigen Abwägen des Risikos kam er immer wieder zu dem Entschluss, dass ihn nichts fressen würde. Und bisher ist er auch tatsächlich auffallend ungefressen.

Erins und Kianas Gesichtsausdrücken nach zu schließen gestaltete sich die Arbeit mit Simba als ein Vergnügen. Dabei war sie zweifellos nicht immer einfach. Mit seinem starken Selbstbewusstsein kam nämlich auch die Tendenz, sich dem Menschen nicht bedingungslos unterzuordnen. Der Löwenanteil des Domptierens fiel schon bald Erin zu, der mit seiner Statur ein etwas leichteres Spiel bei dem Halbstarken hatte. Mit seinem eher an der kürzeren Seite angelegten Rücken und der kräftig bemuskelten Hinterhand legte Simba so manch ein Manöver ein beim Longieren, das von seinen Trainern vollen Körpereinsatz forderte. Dabei zeigte er von Beginn an, wie viel Freude er eigentlich an seinem abwechslungsreichen Training hatte, aber auch immer wieder dass man nicht vergessen sollte, dass er ein Jungpferd aus einer recht spätreifen Familie war. Und nicht zuletzt ein Hengst, schließlich hatte sich seine Halbschwester Edelbitter als deutlich pflegeleichter erwiesen. Die Tage und Wochen vergingen und Simba lernte, seine herannahenden Besucher am Klang ihrer Schritte zu unterscheiden. Und seine Trainer lernten, dass er unterschiedliche Personen mit unterschiedlichen Stimmlagen begrüßte. Und begrüßt wurde jeder, der sich in sein Reich begab.

Jetzt habe ich so viel über dieses Pferd gesagt, das ich eigentlich gar nicht beschreiben kann, und ich habe das Gefühl, es fehlt noch so viel. Sein Umgang in der Herde beispielsweise. Seinen deutlich älteren Vollbruder Edelherb wies er noch über den Zaun hinweg so stark zurecht, dass der die Dominanz seines kleinen Bruders gar nicht mehr in Frage stellte, als sie zusammen auf die Koppel durften. Immer und immer weiter wurde die Herde mit rangniedrigeren Pferden ergänzt. Der Versuch, ihn schließlich in die Herde einzugliedern, scheiterte kläglich an einem heftigen Kampf zwischen den Leithengsten. Inzwischen führt Simba sein eigenes Löwenrudel aus mehr oder weniger selbstbewussten Hengsten und Wallachen und fühlt sich darin wie ein König.
Still und heimlich - oder eher laut und heimlich, von still hält er nicht viel - hat Simba sich einen Platz in unseren Herzen erkämpft, genauso wie ein paar Jahre zuvor seine Mutter. Und vielleicht wird er wie sie bald einen Siegeszug durch Vesland antreten.

---