Lord Ludwig. Der Name klang vielversprechend. Und damit hatte er bereits unser Interesse geweckt. Ja, so einfach konnte das sein! Doch auch sein Trainer versprach uns das Blaue vom Himmel. Erfolgsorientiert, arbeitsam, freundlich. Das waren die ersten drei Begriffe, die sich hervorhoben. Charakterstark und einnehmend. Nun gut, wir hatten verstanden! Ein sehr großartiger Hengst. Nun wollten wir ihn aber auch einmal vorgeführt bekommen. Hauptsächlich war er für unseren barocken Kutschauftritte gedacht. Allerdings würde er auch im allgemeinen Sport wohl nicht zu kurz kommen. Und dann standen wir vor dem Hengst. Er wurde gerade gesattelt und zum Vorreiten vorbereitet. Wow! Wir staunten nicht schlecht. Unter der wallenden Mähne schauten uns zwei braune, treue Augen an, ein leises Schnauben, als sie ihren Trainer erkannten und ein vorfreudiges Stubsen, als dieser über seine Nase strich. Zu viel versprochen? Ganz sicher nicht. Der Hengst war imposant und hätte sicher jeden König aus der barocken Zeit neidisch gemacht. Nur leider war aussehen nicht alles! Er musste sich schon vorreiten lassen und überzeugen. Schließlich hatte er große Versprechen zu erfüllen.

Was gibt es zu erzählen? Wir wurden wieder einmal absolut nicht enttäuscht. Schon beim Warmreiten sahen wir den Schwung und den Eifer in jeder seiner Bewegungen. Er hatte ein extremes Gangwerk, was schon zu intensiv, um ihn vor eine Kutsche zu spannen, aber sicherlich lag es an seinem Reiter, der einfach noch mehr als 100% von diesem Hengst forderte, damit dieser auch ja sein Bestes gab. Eigentlich waren wir bereits zufrieden und nach einer kurzen Rücksprache mit unserem Fahrer war uns klar, dass der Hengst mitkam. Dennoch wollten wir die Show natürlich nicht unterbrechen. Der Hengst sollte sich ruhig stolz vorstellen und das ganze Programm abspielen. Warum er noch nicht verkauft war und der Besitzer so eifrig versuchte ihn mehr als gut vorzustellen war uns bisher schleierhaft. Könnte aber mit seiner enormen Haarpracht zusammenhängen. Denn das war schon zu viel des Guten. Ich wollte mir die Arbeit gar nicht vorstellen, dass alles zu verlesen, zu waschen, zu bürsten, zu flechten... Showfertig zu bekommen. Oh Gott, ich war froh, dass DAS nicht meine Arbeit war!

Nach einer sehr beeindruckenden Show, ebenfalls noch an der Hand vorgestellt, wurde der Hengst schließlich eingepackt. Lord Ludwig sollte noch ganz viele kleine Lords bei uns machen! Zu Hause angekommen, durfte er sich erst einmal auf dem Paddock entspannen, ehe er in seine Box musste. Er zeigte sich erst desinteressiert, dann tobte er ein wenig und rief wohl nach seinen Kompanen. Als Antwort bekam er jedoch neue Stimmen zu hören und schien erst verwundert. Doch er beruhigte sich jetzt schnell, schließlich war er nicht ganz alleine. Später rupfte er sich ein paar Halme Gras vom Rand und entspannte sich wieder. In der Box am Abend war er dann wieder ein kleiner Kobold, schlug nach seinem Boxennachbarn und wühlte das Heu unter seine Einstreu, machte mit seinem Gedrehe ein Loch in die Mitte und scharrte schließlich auf Beton. Unsere Pfleger fassten sich an den Kopf. Gut, es war nicht ungewöhnlich dass ein Pferd sich am ersten Abend nicht wohl fühlte oder überfordert war, doch uns wurde schnell klar, dass Lord Ludwig zwei Gesichter hatte. Der fleißige Lord, der sich gerne präsentierte, aber auch der Ludwig, der sich einfach nicht mit seiner Umgebung anfreunden wollte und alles doof fand. Nun blieb es nur noch zu hoffen, dass sich das nicht später in seinem Umgang bemerkbar machte oder gar in seiner Arbeit widerspiegelt. Aber eigentlich glauben wir nicht daran. Mit genug Auslauf, Training und Ruhephasen würden wir sicherlich die schöne Seite vom Lord hervorheben und die hässliche Seite von Ludwig nur heimlich bei Nacht rauslassen.