Schon auf den ersten Blick macht Amerlinda einen erhabenen Eindruck, und der täuscht bei ihr auch nicht. Sie ist sehr selbstbewusst und weiß, was sie möchte - und das ist meistens Lob und Bewunderung. Während sie auf der Koppel noch damit leben kann, ignoriert zu werden, verlangt sie im Umgang stets die Aufmerksamkeit ihres Menschen. Mit kleinen Blödheiten, wie etwas krachend umwerfen oder lautes Hufscharren, schafft sie es am Putzplatz rasch wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Und wenn es nur ein Tadel ist, das nimmt sie nicht so eng, schließlich weiß sie ohnehin, dass es ganz richtig war, den Menschen wieder auf den rechten Weg zu bringen und letztlich kann sich glücklich schätzen, wer ein Pferd wie sie auch nur putzen darf.
Obwohl sie durchaus etwas eigenwillig und nervig sein kann, ist sie im Großen und Ganzen recht umgänglich. Sie ist gut erzogen, folgt beim Führen, gibt die Hufe und steht beim Bürsten still - meistens zumindest. Nur zu anderen Pferden muss man mit ihr unbedingt Abstand halten - wehe, man beachtet das pummelige Shetlandpony neben ihr mehr! Oder man wagt es, dem doofen Araber gut zuzureden, der beim Anblick der Putzkiste einem Herzinfarkt nahe kommt. Nein, Amerlinda ist sehr besitzergreifend und wird schnell eifersüchtig, wenn sich ihr Mensch mehr für einen ihrer vierbeinigen Freunde interessiert. Da wird auch schon mal vorsorglich am Putzplatz wie unter dem Sattel nach den Artgenossen gegiftet, ob Stute, Hengst oder Wallach spielt dabei keine Rolle. Auf Turnier sollte man sie unbedingt mit einer roten Schleife verzieren und darauf achten, sich nicht von möglichen tollen Farben mancher vierbeiniger Starter ablenken zu lassen.
Das Training ist am angenehmsten, wenn man mit ihr die Halle oder den Platz für sich alleine hat. Dann konzentriert sie sich nämlich ganz darauf, alles richtig zu machen und man braucht ihr eigentlich nur sagen, was zu tun ist und sie zwischendurch immer wieder loben. Damit es nicht zu langweilig wird, bevorzugt sie das Springen, und vermutlich auch, weil der Reiter hier voll und ganz mit den Gedanken bei ihr ist.
Solange man sich Mühe gibt, lässt sie sich auch für die Dressur oder Ausritte gut begeistern, wichtig ist allerdings, dass sie sich nie zu unbeachtet fühlt. Da ist sie eisern und zeigt sich auch mal absolut unwillig, wenn der Reiter auch nur ein paar Sätze mit einem Kollegen tauschen will. An der Bande stehen, während der Reiter Autogrammstunde gibt? Das kann man mit anderen Pferden machen! Wenn während dem Reiten mit Amerlinda schon jemand Autogramme geben soll, dann ja wohl sie. Bewunderung und Streicheleinheiten sammelt sie immer gerne, ob es nun der Konkurrent, der mit seinem Gaul hinter ihr platziert wurde, ist oder das vierjährige Nachbarskind. Das kann auch gerne mitten im Training kommen und gleich noch seine zwölf Schulfreundinnen mitbringen - da hat sie keinen Stress, es erkennt sowieso viel zu selten jemand, wie toll sie eigentlich ist!